Arthritis

FÜR ÄRZTE UND THERAPEUTEN

Zonulin: Frühmarker für rheumatoide Arthritis

Bei Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes, Multiple Sklerose und rheumatoide Arthritis ist die Zusammensetzung der Mikrobiota im Darm verändert. Auch bei systemischem Lupus erythematodes lassen sich Verschiebungen nachweisen.

Bislang ist allerdings nicht geklärt, wie genau die mikrobielle Dysbiose den Übergang von einer asymptomatischen Autoimmunität zu einer entzündlichen Erkrankung vorantreibt. Erlanger Wissenschaftler aus der Rheumatologie und Immunologie der Universität, dem Universitätsklinikum und dem Deutschen Zentrum für Immuntherapie haben sich deshalb die Zusammenhänge zwischen Darm-Mikrobiota und rheumatoider Arthritis genauer angesehen.1


Mikrobiota-Therapie verbessert klinisches Bild

Grundlage der wissenschaftlichen Untersuchungen waren folgende Erkenntnisse:

  • Die Zellwandfragmente einiger Darmbakterien wirken arthritogen.
  • Mehrere Medikamente zur Behandlung einer Arthritis wirken auch antimikrobiell. Beispiele sind Chloroquin, Sulfasalazin und Minocyclin.
  • Bei Arthritis-Patienten bessert sich das klinische Bild, wenn die Therapie an der Mikrobiota ansetzt und ihre Zusammensetzung positiv verändert.
  • Die Ernährung hat großen Einfluss auf die Arthritis - gleichzeitig ist die Ernährung der Faktor, der die Mikrobiota am stärksten beeinflusst.


Zonulin kontrolliert Entstehung der Arthritis

In ihren Untersuchungen identifizierten die Wissenschaftler Zonulin als zentralen Faktor beim Übergang einer asymptomatischen Autoimmunität in eine entzündliche Erkrankung. Zonulin ist ein starker Regulator der intestinalen Tight Junctions; die Darmepithelzellen scheiden den Stoff aus, wenn sie mit bestimmten Stimuli aus der Nahrung oder der Mikrobiota in Berührung kommen.

Das freigesetzte Zonulin verringert die Produktion von Tight-Junction-Proteinen und erhöht so die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut. Außerdem induziert es eine T-Zell-vermittelte Schleimhautentzündung und steuert die Transmigration von Immunzellen aus dem Darm in die Gelenke.


Zonulin bereits vor Erstmanifestation erhöht

Wie die Auswertung zweier unabhängiger Kohorten zeigte, waren die Zonulinwerte erhöht bei:

  • Patienten mit bestehender rheumatoider Arthritis
  • Patienten mit CCP-Antikörpern, bei denen sich die Erkrankung noch nicht ausgebildet hatte.

CCP-Antikörper richten sich gegen das körpereigene cyclische citrullinierte Peptid und sind ein sehr sensitiver Marker für die rheumatoide Arthritis. Die Antikörper können bis zu zehn Jahre vor der Erstmanifestation der rheumatoiden Arthritis auftreten.

Patienten mit CCP-Antikörpern und Zonulinwerten über 10 ng pro ml Serum hatten Längsschnitt-Analysen zufolge ein hohes Risiko, innerhalb eines Jahres an rheumatoider Arthritis zu erkranken.


Ileum-Biopsien bestätigten Schleimhautstörung

Untersuchungen an mukosalen Ileum-Biopsien von Patienten mit bestehender rheumatoider Arthritis oder mit unbehandelter Erstmanifestation sprachen für eine gestörte Schleimhautbarriere zu Beginn der rheumatoiden Arthritis.

In beiden Patientengruppen waren die Tight-Junction-Proteine in den intestinalen Epithelzellen erniedrigt. Bei den unbehandelten Patienten mit Erstmanifestation waren außerdem die Zahlen der T-Zellen, B-Zellen und Makrophagen in der Lamina propria erhöht, begleitet von einer Leukozyten-Infiltration. Nachdem die unbehandelten Patienten eine Laktulose-Mannitol-Lösung zu sich genommen hatten, ließen sich die unverdaulichen Zucker vermehrt im Urin nachweisen.


Therapie auf Zonulin und Schleimhaut ausrichten

Da die Gelenkzerstörung in den ersten beiden Erkrankungsjahren am stärksten fortschreitet, sind die Erfolgsaussichten umso besser, je früher mit der Therapie begonnen wird. Zonulin kann eine bevorstehende rheumatoide Arthritis bereits vor ihrem Ausbruch anzeigen, der Frühmarker ermöglicht damit ein rechtzeitiges therapeutisches Eingreifen.

Gleichzeitig können präventive Maßnahmen und frühzeitige Therapien den Erkrankungsverlauf abschwächen, wenn sie auf Zonulin und die Schleimhautbarriere abzielen. Die Erlanger Wissenschaftler haben drei solcher Wirkstoffe an Mäusen getestet:

  • Butyrat
  • Cannabinoid-Typ-1-Rezeptoragonist und
  • Larazotidacetat.


Alle drei Wirkstoffe konnten die intestinale Scheimhautbarriere stärken und den Verlauf der Arthritis deutlich abschwächen.

Als Hauptnährstoff der Darmschleimhaut ist die Buttersäure für eine intakte Darmbarriere mitverantwortlich. Sie fördert zum Beispiel die Produktion der Tight-Junction-Proteine auf mRNA-Ebene. Die Aktivierung des intestinalen Cannabinoid-Typ-1-Rezeptors wirkt sich ebenfalls positiv auf die Schleimhautbarriere aus. Larazotidacetat blockiert die Zonulin-Rezeptoren und fördert so die Integrität der Tight Junctions. Der Wirkstoff befindet sich in klinischen Phase-III-Studien für die Zöliakie-Therapie.


Bakterielle Buttersäure als Regulator

Die Daten der Erlanger Wissenschaftler identifizieren einen wirkungsvollen und natürlichen Ansatz, wie sich Autoimmunerkrankungen verhindern oder zumindest im Verlauf abschwächen lassen.

Die Therapie zielt auf Zonulin ab - das zentrale Bindeglied zwischen einer mikrobiellen Dysbiose und dem Ausbruch der rheumatoiden Arthritis. Eine intakte Mikrobiota reguliert Zonulin über das bakterielle Stoffwechselprodukt Buttersäure. Hauptakteur ist dabei das natürliche Darmbakterium Faecalibacterium prausnitzii, das besonders viel Buttersäure bildet und sich gezielt fördern lässt.


Literatur

  1. Tajik, N. et al., 2020: Targeting zonulin and intestinal epithelial barrier function to prevent onset of arthritis. Nat Commun. 24;11(1):1995. doi: 10.1038/s41467-020-15831-7

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