Rotwein, reifer Käse, Tomaten, Histaminintoleranz

FÜR ÄRZTE UND THERAPEUTEN

Histaminintoleranz aufdecken

Allergie-ähnlichen Symptomen auf der Spur

Auch ohne bestehende Allergie können nach dem Essen Histamin-bezogene Symptome wie Durchfall, Fließschnupfen, Flush und Kopfschmerzen auftreten. Häufig passiert das nach dem Genuss von gereiftem Käse, Rotwein, Tomaten oder Fisch. Dabei handelt es sich aber um eine Histaminintoleranz, deren Symptomausprägung von der Schwere der Unverträglichkeit und der Histaminmenge abhängt. Der Körper reagiert hier auf angesammeltes Histamin.

Die Ursachen können

  • eine erhöhte Histaminbelastung und
  • eine verminderte Histamin-Abbaukapazität

sein.


Etwa ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland leidet an einer Histaminintoleranz. Zwei von drei Betroffenen sind Frauen - und ungefähr 80 Prozent der Personen mit einer Histaminintoleranz sind über 40 Jahre alt. Trotzdem kann eine Histamin-Intoleranz auch schon im jugendlichen Alter auftreten.

Wer an einer latenten Allergie wie beispielsweise leichtem Heuschnupfen leidet, hat ohnehin eine erhöhte Menge Histamin im Körper. In Verbindung damit kann ein erhöhter Histaminverzehr ebenfalls entsprechende Symptome auslösen. So kann beispielsweise ein Asthmaanfall unerwartet auftreten.


Leitsymptome einer Histamin-Intoleranz

Die Symptome einer Histaminintoleranz können ganz unterschiedlich sein und erinnern stark an eine Nahrungsmittelallergie. Allerdings besteht ein wesentlicher Unterschied: Bei der Histamin-Intoleranz ist die Stärke der Symptome von der Menge des zugeführten Histamins abhängig. Patienten, die unter einer Histaminintoleranz leiden, sollten deshalb auf eine histaminarme Ernährung achten.
Bei einer echten Allergie reichen dagegen Spuren des Allergens aus, um Symptome auszulösen.

Je nach Ausprägung der Histaminintoleranz sind verschiedene Organe betroffen:

Atemwege:

  • Nasale Obstruktion
  • Fließschnupfen
  • Bronchospasmus
  • Asthmaanfälle


Haut
:

  • Flush
  • Juckreiz ohne Ausschlag
  • Urtikaria


Kardiovaskuläres System
:

  • Herzrhythmusstörungen
  • Hypotonie
  • Palpitationen
  • Tachykardie

Magen-Darm-Trakt:

  • Bauchschmerzen
  • Blähungen
  • Krämpfe
  • Durchfall

 

Zentrales Nervensystem:

  • Kopfschmerzen
  • Migräne
  • Müdigkeit
  • Schlafstörungen
  • Schwindel
  • Übelkeit


Urogenitaltrakt

  • Dysmenorrhoe

Ursachen der Histamin-Intoleranz

Zu einer erhöhten Histaminbelastung kann es kommen, wenn ein Patient

  • sich oft von histaminreichen und histaminfreisetzenden Lebensmitteln ernährt,
  • histaminfreisetzende Medikamente einnimmt oder
  • viele histaminbildende Bakterien im Darm beherbergt.

Bei einer verminderten Histamin-Abbaukapazität staut sich dagegen Histamin an, weil

  • zu wenig abbauende Enzyme vorhanden sind oder
  • die Enzyme nur eingeschränkt arbeiten.

Die Kombination aus erhöhter Histaminbelastung und verminderter Histamin-Abbaukapazität verstärkt die Symptome noch.

Allerdings ist die Verträglichkeit von Histamin auch bei gesunden Menschen begrenzt. Hohe Histamindosen können bei Ihnen ebenfalls Vergiftungserscheinungen auslösen, beispielsweise wenn sie mangelhaft gekühlten beziehungsweise gelagerten Fisch verzehren.
Dann sprechen wir aber nicht von einer Histaminintoleranz; denn dabei reagiert der Körper schon auf weniger stark erhöhte Mengen Histamin.
Wichtig: Braten oder Kochen zerstört das Histamin nicht.


Histaminintoleranz diagnostisch abklären

Um der Ursache einer erhöhten Histaminkonzentration und den damit verbundenen Beschwerden auf den Grund zu gehen, eignet sich die Kombination der folgenden Untersuchungsparameter:

  • Quantitative Histaminbestimmung im Stuhl
  • Nachweis histaminbildender Mikroorganismen im Stuhl
  • Totale Histamin-Abbaukapazität (THAK) im Blut

Die drei Parameter sind im DarmProfil "Verdacht auf Histamin-Intoleranz" zusammengefasst, können aber auch einzeln angefordert werden.

Die mikrobielle Histaminproduktion im Stuhl lässt sich ermitteln, indem die Stuhlprobe über einen definierten Zeitraum inkubiert und die Histaminkonzentration zu Beginn und am Ende der Inkubation gemessen wird.
Um die Totale Histaminabbau-Kapazität im Blut zu bestimmen, wird das Patientenserum mit Histamin provoziert und der darauffolgende Histaminabbau innerhalb eines definierten Zeitraums gemessen.  
Eine für den Patienten unangenehme Provokation mit histaminreichen Lebensmitteln ist bei beiden Bestimmungen nicht notwendig. Der Patient kann sich sogar histaminfrei ernähren und darf zum Zeitpunkt der Blut- bzw. Stuhlentnahme symptomfrei sein.


Die quantitative Histaminbestimmung im Stuhl erfolgt dagegen unter Normalkost - also mit histaminhaltigen Nahrungsmitteln.


Eingeschränkte Abbaukapazität von Histamin genauer bestimmen

Die Ursache einer eingeschränkten Histamin-Abbaukapazität lässt sich über den Nachweis des Enzyms Diaminooxidase (DAO) im Blut weiter eingrenzen. Die vor allem in den Enterozyten gebildete DAO baut bei Gesunden einen Großteil des extrazellulär anfallenden Histamins ab.

Ist die DAO in normaler Konzentration vorhanden, obwohl die Totale Histamin-Abbaukapazität eingeschränkt ist, weist das auf eine verminderte Aktivität der DAO hin. Verantwortlich sein können:

  • Alkohol und eingenommene Medikamente wie ASS, NSAR, Verapamil, Cimetidin und Ambroxol, die die Enzymaktivität hemmen;
  • andere biogene Amine, die die DAO auslasten.

Bei manchen Patienten ist die Enzymaktivität aber auch von Natur aus verringert.

Ist die DAO-Konzentration dagegen erniedrigt, können geschädigte Enterozyten die Ursache sein, wie sie zum Beispiel bei gastrointestinalen Erkrankungen vorkommen. Sie bilden die DAO dann nicht mehr in ausreichender Konzentration.


Therapeutische Maßnahmen

Je nach Befund ergeben sich unterschiedliche therapeutische Maßnahmen. Dabei spielt es eine Rolle, ob bei erniedrigter THAK die DAO-Menge normal oder ebenfalls erniedrigt ist. Entweder sollte die DAO-Aktivität angeregt oder die DAO-Synthese induziert werden.

Zu den Therapieoptionen zählen:

  • Karenz oder Reduktion histaminreicher und histaminfreisetzender Lebensmittel
  • Prüfung der Medikation
  • Gabe von Milchsäurebakterien
  • Phytotherapie
  • Orthomolekulare Therapie
  • Gabe von Heilerde
  • Im Akutfall: Antihistaminika, Mastzellstabilisatoren, DAO-Substitutionspräparate, Vitamin C Hochdosis i.v.

Da sich die Histaminintoleranz unter Stress häufig verschlimmert, sind außerdem Maßnahmen sinnvoll, die die Stressbewältigung verbessern. Dazu eignen sich Entspannungstechniken wie das TrophoTraining, Yoga, autogenes Training und Meditation.


Praxiserhebung zu histaminarmer Ernährung

Eine Praxiserhebung hat Patienten mit einer hohen Histaminkonzentration im Stuhl - zwischen 600 und 2.500 ng Histamin/g Stuhl -  eingeschlossen. Anhand ihrer DAO-Aktivität wurden sie in drei Gruppen eingeteilt:

  • DAO-Aktivität stark erniedrigt <3 U/ml
  • DAO-Aktivität leicht erniedrigt 3 - 9 U/ml
  • DAO-Aktivität normal = 9 - 23 U/ml

Eine histaminarme Diät ergab folgende Ergebnisse:

  • 15,3% Beschwerdefreiheit
  • 58,8% deutliche Besserung
  • 18,8% leichte Besserung
  • 4,7% status idem
  • 2,4% nicht beurteilbar

Das zeigt: Eine histaminarme Ernährung erreicht in den meisten Fällen eine deutliche Verbesserung der Symptome - bis hin zur Beschwerdefreiheit. Daneben lohnt es, die Medikamention zu überprüfen.

Beispiele für histaminreiche Lebensmittel:

  • Fisch
  • geräucherter Schinken
  • gereifter Käse wie Parmesan
  • Rotwein
  • Sauerkraut
  • Avocado

Beispiele für histaminfreisetzende Lebensmittel:

  • Ananas
  • Erdbeeren
  • Tomaten
  • Zitrusfrüchte
  • Schokolade

Hintergrund Histamin

Histamin ist ein biogenes Amin und entsteht aus der Aminosäure Histidin durch Abspaltung von Kohlendioxid, also einer Decarboxylierung.
Im menschlichen Körper kommt Histamin in fast allen Geweben vor, besonders in Mastzellen, basophilen Granulozyten und den enterochromaffin-ähnlichen Zellen der Magenschleimhaut, aber auch in Nervenzellen. Es dient als wichtiges Gewebshormon und als Neurotransmitter, ist aber auch ein Entzündungsmediator..

Seine Wirkung entfaltet Histamin, indem es an membrangebundene Histamin-Rezeptoren - H1, H2, H3 und H4 - bindet. Je nach Art und Ort des Rezeptors ergeben sich unterschiedliche Wirkungen:

  • Histamin-H1-Rezeptoren sind weit verbreitet und vermitteln die allergische Wirkung.
  • H2-Rezeptoren regulieren vor allem die Magensaftproduktion.
  • H3-Rezeptoren sind vorwiegend im zentralen und peripheren Nervensystem lokalisiert. An ihnen wirkt Histamin als Neurotransmitter und reguliert die eigene Freisetzung und die Ausschüttung anderer Neurotransmitter wie Adrenalin.
  • H4-Rezeptoren vermitteln die Immunwirkung von Histamin.

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